
Globale Schlafungleichheit sichtbar gemacht
Globale Schlafungleichheit sichtbar gemacht – Wissenschaftliche Einordnung des IKEA Sleep Report 2025
Der neue „IKEA Sleep Report 2025“ zählt zu den derzeit umfangreichsten internationalen Erhebungen zum Thema Schlafverhalten (https://www.ikea.com/global/en/images/IKEA_Sleep_Report_2025_2501130_v3_9d5522d745.pdf). Über 55.000 Personen aus 57 Ländern wurden befragt. Die Ergebnisse zeichnen ein vielschichtiges Bild: Schlaf ist für viele Menschen eine essentielle Quelle für Gesundheit und Wohlbefinden – und dennoch eine Ressource, auf die nicht alle gleichermaßen zugreifen können. Als Institut für Schlaf und Regeneration möchten wir zentrale Ergebnisse dieser Untersuchung zusammenfassen und wissenschaftlich einordnen.
Ein zentrales Ergebnis der Studie ist die Diskrepanz zwischen dem tatsächlichen und dem gewünschten Schlafvolumen. Global gesehen schlafen Menschen durchschnittlich eine Stunde und zwanzig Minuten weniger, als sie es sich wünschen würden. Diese sogenannte „Schlaflücke“ variiert regional stark: In der Türkei liegt sie bei über zwei Stunden, während sie in Japan, wo generell sehr geringe Erwartungen an die eigene Schlafdauer bestehen, etwas geringer ausfällt. Der globale Durchschnitt der tatsächlichen Schlafdauer liegt somit deutlich unter den schlafmedizinisch empfohlenen sieben bis neun Stunden für Erwachsene.
Bemerkenswert ist zudem der von IKEA entwickelte „Sleep Score“, der auf einer Skala von 0 bis 100 die wahrgenommene Schlafqualität, die Schlafdauer, die Einschlafzeit, das nächtliche Aufwachen und das Erholungsempfinden beim Aufwachen zusammenfasst. Der durchschnittliche globale Sleep Score beträgt lediglich 63 Punkte, was darauf hinweist, dass es in nahezu allen Regionen der Welt erhebliches Potenzial zur Verbesserung der Schlafqualität gibt.
Die Studie zeigt eindrucksvoll, dass Schlaf stark sozial bedingt ist. Menschen mit geringem Einkommen, niedrigem Bildungsstatus, mit Behinderung oder mit beengten Wohnverhältnissen berichten signifikant häufiger von schlechtem Schlaf. Auch Frauen mit kleinen Kindern sowie Personen, die sich als LGBTQ+ oder einer ethnischen Minderheit zugehörig identifizieren, erreichen tendenziell niedrigere Werte im Sleep Score. Diese Befunde unterstreichen, dass Schlaf keine individuelle Angelegenheit ist, sondern von strukturellen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen mitbestimmt wird.
Psychische Belastungen spielen eine zentrale Rolle: Die häufigsten Ursachen für schlechten Schlaf sind laut den Befragten Stress, übermäßiges Grübeln, Angststörungen und Schlafstörungen. Auch hier zeigen sich klare gesellschaftliche Zusammenhänge: Wer ökonomisch unter Druck steht oder mehrere Jobs ausübt, ist einem erhöhten Risiko für chronischen Schlafmangel ausgesetzt. Das „Zuviel im Kopf“ ist somit nicht nur eine individuelle Erfahrung, sondern Ausdruck gesellschaftlicher Überforderung.
Interessanterweise bringt der Report auch positive Aspekte zur Sprache. Menschen, die mit einem Partner oder einer Partnerin schlafen, erreichen im Durchschnitt höhere Sleep Scores als Alleinschläfer:innen. Besonders hohe Schlafqualität wurde berichtet, wenn Nähe und Zuwendung – etwa durch körperliche Nähe beim Einschlafen – Teil der Schlafkultur waren. Dies entspricht Erkenntnissen aus der sozialwissenschaftlich orientierten Schlafforschung, die Schlaf nicht nur als biologische Funktion, sondern auch als soziale Praxis begreift.
Ein weiteres relevantes Thema ist die Rolle digitaler Medien. Rund 72 % der Befragten gaben an, ihr Smartphone im Bett zu nutzen. Dabei ist weniger die Bildschirmzeit an sich problematisch, sondern vielmehr die durch Mediennutzung verdrängte Einschlafzeit. Studien zeigen, dass abendliche Nutzung elektronischer Geräte mit einer Verlängerung der Einschlaflatenz und einer Reduktion der Schlafdauer einhergehen kann. Gleichzeitig weist die Studie auch darauf hin, dass digitale Routinen nicht pauschal negativ sein müssen – in einigen Ländern wie China oder Indonesien gehen hohe Mediennutzung und relativ gute Schlafwerte Hand in Hand. Hier dürften kulturelle Faktoren eine Rolle spielen, die noch näher untersucht werden müssten.
Auch sogenannte „Powernaps“ gewinnen zunehmend an Bedeutung. Zwei Drittel der Befragten geben an, tagsüber gelegentlich zu schlafen. Die durchschnittliche Dauer eines Nickerchens liegt bei 33 Minuten. Aus wissenschaftlicher Sicht gilt ein Kurzschlaf von 10 bis 20 Minuten als besonders effektiv für die Regeneration, ohne den nächtlichen Schlaf zu stören.
In der Gesamtbetrachtung liefert der IKEA Sleep Report 2025 wichtige Hinweise darauf, dass guter Schlaf heute kein selbstverständliches Gut ist. Er ist nicht nur Ausdruck persönlicher Lebensführung, sondern auch abhängig von gesellschaftlichen Bedingungen, Wohnverhältnissen, sozialen Rollenbildern und mentaler Gesundheit. Schlaf ist damit auch ein Spiegel sozialer Ungleichheit.
Als Institut für Schlaf und Regeneration sehen wir in diesen Ergebnissen eine Bestätigung unserer täglichen Arbeit: Aufklärung, individuelle Beratung und strukturelle Präventionsmaßnahmen sind notwendig, um den Zugang zu erholsamem Schlaf gerechter zu gestalten. Schlaf sollte nicht als individuelles Optimierungsziel verstanden werden, sondern als gemeinschaftliche Gesundheitsressource, die Schutz, Förderung und gesellschaftliche Wertschätzung verdient.
Für weitere Informationen zu unserer wissenschaftlichen Arbeit, für Vorträge oder betriebliche Gesundheitsangebote stehen wir Ihnen gerne zur Verfügung.
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