
Kreatin und Schlaf
Wie ein klassisches Supplement nächtliche Erholung und kognitive Leistungsfähigkeit unterstützen kann.
Kreatin ist vielen als Nahrungsergänzungsmittel im Kraftsport bekannt. Doch abseits des Fitnessstudios gewinnt es zunehmend auch in anderen Bereichen an Bedeutung – insbesondere in der Schlaf- und Neuroforschung. Denn Kreatin wirkt nicht nur auf die Muskulatur, sondern spielt auch im Energiestoffwechsel des Gehirns eine zentrale Rolle. Neuere Studien zeigen, dass es möglicherweise eine schützende Funktion bei Schlafmangel einnehmen, den Schlaf positiv beeinflussen und sogar zur Stabilisierung gestörter zirkadianer Rhythmen beitragen kann.
Ein klassisches Beispiel für die schützende Wirkung von Kreatin bei Schlafentzug liefert eine einflussreiche Studie von McMorris und Kollegen aus dem Jahr 2007. In diesem Experiment erhielten gesunde Erwachsene über sieben Tage hinweg entweder viermal täglich fünf Gramm Kreatin-Monohydrat oder ein Placebo. Anschließend wurden sie über 36 Stunden wachgehalten, begleitet von intermittierendem Training. Die Ergebnisse zeigten, dass Personen in der Kreatin-Gruppe signifikant besser in exekutiven Aufgaben abschnitten als diejenigen, die ein Placebo erhalten hatten. Während sich die kognitive Leistungsfähigkeit unter Schlafentzug bei der Placebo-Gruppe nicht verbesserte, zeigte die Kreatin-Gruppe eine stetige Leistungssteigerung über den gesamten Untersuchungszeitraum hinweg. Auf andere Parameter wie Reaktionszeit oder Hormone wie Cortisol und Melatonin hatte die Supplementierung allerdings keinen signifikanten Einfluss.
Auch Beobachtungsstudien legen nahe, dass Kreatin einen unterschätzten Einfluss auf unsere Schlafqualität haben könnte. Eine aktuelle bevölkerungsrepräsentative Analyse aus den USA, durchgeführt von Baltic et al. im Jahr 2024, untersuchte den Zusammenhang zwischen täglicher Kreatinzufuhr und Schlafgewohnheiten bei knapp 6.000 Erwachsenen. Der durchschnittliche Kreatinkonsum lag dabei bei 0,88 Gramm pro Tag. Personen mit einer täglichen Zufuhr von weniger als einem Gramm berichteten signifikant häufiger über Schlafprobleme als jene, die mindestens ein Gramm pro Tag konsumierten. Die Wahrscheinlichkeit für milde Schlafstörungen war bei niedriger Kreatinzufuhr um 30 Prozent erhöht. Zwar fanden sich keine Unterschiede bei schwerwiegenden, klinisch diagnostizierten Schlafstörungen, doch die Ergebnisse sprechen dennoch für eine mögliche präventive Rolle von Kreatin in der allgemeinen Schlafgesundheit.
Ein weiteres spannendes Anwendungsfeld zeigt sich bei menstruierenden Frauen. In einer randomisierten, doppelblinden Interventionsstudie von Cruz et al. aus dem Jahr 2024 nahmen die Teilnehmenden über sechs Wochen hinweg täglich fünf Gramm Kreatin in Kombination mit Maltodextrin ein, während sie ein standardisiertes Krafttraining absolvierten. Der Schlaf wurde dabei mithilfe eines ŌURA®-Rings objektiv erfasst. Besonders an Trainingstagen verlängerte sich die Gesamtschlafdauer in der Kreatin-Gruppe signifikant im Vergleich zur Placebo-Gruppe. Das subjektive Schlafempfinden sowie das allgemeine Schlafverhalten über den Studienzeitraum hinweg blieben hingegen unverändert. Beide Gruppen steigerten zudem ihre körperliche Leistungsfähigkeit, ohne dass es dabei zu signifikanten Unterschieden kam.
Tierstudien liefern zusätzliche Hinweise darauf, dass Kreatin den sogenannten Schlafdruck beeinflussen kann – also das biologisch empfundene Bedürfnis zu schlafen. In einer Untersuchung von Dworak et al. aus dem Jahr 2017 wurde Ratten über vier Wochen hinweg Kreatin verabreicht. Die Ergebnisse zeigten, dass Kreatin insbesondere in der inaktiven Tagesphase (bei Ratten die helle Phase) die Gesamtschlafzeit und den Tiefschlafanteil reduzierte. Nach sechs Stunden Schlafentzug war zudem die normalerweise stark erhöhte Delta-Aktivität im EEG – ein Marker für erhöhten Schlafdruck – bei den Kreatin-Ratten deutlich abgeschwächt. Dies deutet auf eine Art „energetische Pufferwirkung“ hin. Begleitend war ein Anstieg von Phosphokreatin im Gehirn zu beobachten, während die Konzentration des schlaffördernden Botenstoffs Adenosin im Vergleich zur Kontrollgruppe reduziert war.
Ein weiteres Einsatzfeld ergibt sich bei gestörten zirkadianen Rhythmen – etwa bei Schichtarbeit, Jetlag oder Lichtverschmutzung. In einer Tierstudie von Burjanadze et al. aus dem Jahr 2017 wurde Ratten mit dauerhaft gestörtem Tag-Nacht-Rhythmus Kreatin verabreicht. Die Kreatin-Gruppe zeigte nicht nur ein stabileres motorisches Verhalten, sondern auch verbesserte neurobiochemische Werte. Im Hippocampus stiegen antioxidative Schutzfaktoren wie Superoxiddismutase und Katalase an. Gleichzeitig wurden zellschädigende Substanzen wie Wasserstoffperoxid reduziert, und auch die Kalziumwerte – ein Marker für neuronalen Stress – normalisierten sich. Die Autoren vermuten, dass Kreatin indirekt auch auf NMDA-Rezeptoren wirkt und so zytotoxische Prozesse dämpft, die bei circadianer Dysregulation auftreten.
Doch wann sollte man Kreatin idealerweise einnehmen – morgens oder abends? Eine Studie von Vilches-Redondo et al. aus dem Jahr 2022 mit weiblichen Handballspielerinnen untersuchte genau diese Frage. Über zwölf Wochen hinweg nahm eine Gruppe Kreatin am Morgen, die andere am Abend ein. Beide Gruppen verbesserten sich hinsichtlich Körperzusammensetzung und sportlicher Leistung – ein signifikanter Unterschied zwischen den Einnahmezeitpunkten zeigte sich jedoch nicht. Dies passt zur physiologischen Erkenntnis, dass Kreatin in den Muskelzellen gespeichert und bedarfsorientiert freigesetzt wird, sodass der genaue Zeitpunkt der Zufuhr offenbar sekundär ist.
Zum Abschluss lohnt ein Blick auf eine direkte Vergleichsstudie von Cook et al. aus dem Jahr 2011, in der untersucht wurde, ob Kreatin oder Koffein die Leistungsfähigkeit bei Schlafmangel besser erhalten können. In einem Rugby-spezifischen Test zeigte sich, dass sowohl Kreatin als auch Koffein den durch Schlafmangel verursachten Leistungsabfall vollständig kompensieren konnten. Während Koffein jedoch mit einem signifikanten Anstieg des Stresshormons Cortisol einherging, zeigte sich unter Kreatin kein vergleichbarer Anstieg – vielmehr wurde sogar ein tendenzieller Anstieg des Testosteronspiegels beobachtet, was auf eine eher stabilisierende Wirkung hindeuten könnte.
Fazit: Kreatin – ein unterschätzter Faktor für mentale Erholung und Schlafqualität
Die aktuelle Studienlage zeigt deutlich: Kreatin wirkt weit über den Muskel hinaus. Es kann bei Schlafmangel kognitive Funktionen schützen, Schlafprobleme in der Allgemeinbevölkerung reduzieren und die Schlafdauer an beanspruchenden Tagen verlängern. Zudem stabilisiert es in Tiermodellen den zirkadianen Rhythmus und puffert die physiologischen Folgen von Schlafentzug.
Für die tägliche Anwendung haben sich in Studien Dosierungen von 3 bis 5 Gramm Kreatin-Monohydrat pro Tag bewährt. Kurzfristig – etwa zur Unterstützung bei Schlafmangel oder hoher Belastung – wurden auch Dosierungen bis zu 20 Gramm pro Tag über wenige Tage verwendet. Da Kreatin jedoch nicht für jede Person gleichermaßen geeignet ist und insbesondere bei bestehenden Vorerkrankungen Wechselwirkungen auftreten können, sollte eine Supplementierung immer in Rücksprache mit einer Ärztin oder einem Arzt erfolgen.
Kreatin ist somit kein klassisches Schlafmittel – aber ein potenter Unterstützer für kognitive Resilienz, Regeneration und gesunden Schlaf.